Editor’s Notes
Zwischen Korn und Kombucha – die soziale Frage im Glas
Billigrausch überall, gute Alternativen selten.
Ein Plädoyer für alkoholfreien Geschmack ohne Eintrittspreis.
Text & Collage:
Oliver Schwarzwald
Editorial #10
Zwischen Korn und Kombucha – die soziale Frage im Glas
Vom Billigrausch zur teuren Nüchternheit – warum alkoholfreies Trinken zur Frage des Zugangs wird.
Eine Flasche Korn kostet weniger als eine Dose alkoholfreier Mocktail.
Das ist kein Zufall, sondern System.
Der Rausch ist billig, weil er Alltag ist.
Genussvolles Trinken ohne Alkohol dagegen gilt als Statement
und hat seinen Preis.
Die alkoholfreie Bewegung hat Stil, Werte, Ästhetik.
Aber sie hat auch ein Problem: Sie bleibt noch zu oft exklusiv.
Wer bewusst lebt, zahlt drauf. Wer trinkt, gehört dazu – und kann das mit schmalem Taler.
Das ist die soziale Frage im Glas.
Der Rausch ist billig, Bewusstsein kostet
Neulich im Discounter, zwischen Dosenbier und Energy Drinks:
drei alkoholfreie Mocktails im Regal.
Dosen, schlicht, günstig – und trotzdem selten.
Weil es momentan kaum ein Dazwischen gibt:
etwas zwischen billiger Betäubung und teurem Bewusstsein.
Ich hab sie mitgenommen. Einfach, um zu sehen, wie weit man damit so kommt. Spoiler: „Solide“ ist dabei noch das freundlichste Urteil.
Aber genau das ist der Punkt. Wenn das Beste am alkoholfreien Drink sein soll, dass er „geht“, dann läuft gesellschaftlich etwas schief.
Und ja, es gibt auch alkoholfreien Wein unter fünf Euro – aber ernsthaft?
Hier sollten wir besser gar nicht über Geschmack reden.
Trinken ohne Alkohol gab’s immer – aber nie mit Anspruch
Natürlich gab es Trinken ohne Alkohol schon immer: Wasser, Tee, Saft.
Aber das war nie die Frage.
Die eigentliche Herausforderung lautet:
Wie wird genussvolles Trinken ohne Alkohol selbstverständlich?
Wie schaffen wir Geschmack, Atmosphäre und Haltung – ohne Rausch, aber mit Stil?
Wenn Nüchternheit mehr kostet als Rausch
Und ja, Wasser kostet nichts. Zumindest das aus der Leitung.
In vielen Bars gibt es das inzwischen selbstverständlich – ein Fortschritt, nice!
Aber Leitungswasser ist Grundnahrungsmittel und in diesem Kontext eher Verzicht als Getränk.
Mehr funktionale Nüchternheit als Erlebnis.
Und wenn es dann doch mal mit Kohlensäure sein darf,
ist es schnell teurer als ein Bier.
Damit sind wir wieder am Anfang: Alkoholfrei trinken ist momentan noch Luxus.
Inklusives Trinken – oder: Wem gehört der bewusste Lebensstil?
Dabei müsste es andersherum sein.
Wenn Rausch die Norm bleibt, sollte Bewusstsein zugänglich werden.
Nicht nur als Premiumprodukt, sondern auch als Option im Alltag.
Inklusives Trinken heißt: Jede:r darf ohne Alkohol genießen – durch alle Schichten hindurch.
Inklusion bedeutet nämlich auch die soziale Frage!
Dass der Alkoholiker immer sozial schwach ist, ist ein Ammenmärchen – und wir alle wissen das.
Aber in dieser tief verwurzelten Rückversicherung,
dass „bewusstes Leben“ nur etwas für Bessergestellte ist
liegt genau das Problem, oder nicht?
Bewusstsein darf kein Privileg sein
Wenn Alkohol billig bleibt, muss auch das Gegenteil leistbar werden.
Vielleicht beginnt der Wandel genau dort,
wo wir aufhören, Geschmack mit Promille zu verwechseln.
Und gerade hier entlarvt sich die Alkohollobby jedes Mal aufs Neue.
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