Interview
“Die Symbiose zwischen Fußball und Drogen – aktuell noch sehr stabil.”
Das „Trockendock“, ein komplett alkoholfreier Getränkestand, wurde im April 2022 zum ersten Mal eröffnet.
Dieser innovative Stand wurde auf Initiative des Fanclubs „Weiß-braune Kaffeetrinker*innen” im Millerntor-Stadion ins Leben gerufen. „Trockendock” wird als erster und einziger alkoholfreier
Getränkestand im deutschen Profifußball beworben und dient anderen Vereinen als Vorbild.
Interview: Oliver Schwarzwald
Was war der Anstoß zur Entstehung des Trockendocks?
Mitte 2019 wurde der Spirituosenhersteller Jack Daniel`s erneut Sponsor des FC St. Paulis. Die unkritische Proklamierung vermeintlich gemeinsamer Werte bezogen auf den Alkoholhersteller JD und den FCSP war der Startschuss für eine Kampagne, die zum Ziel hatte, die scheinbar unerschütterliche Symbiose von Fußballvergnügen und Drogenkonsum einmal nachhaltig zu hinterfragen. Die Kampagne gipfelte zunächst in Anträgen zur FCSP MV Ende 2019, die einen langfristigen Ausstieg aus jeglicher Form von Suchtmittelwerbung und die Einrichtung von vier komplett alkoholfreien Verkaufsständen IM Stadion forderten
Welche Herausforderungen habt ihr beim Durchsetzen des Projekts im Verein erlebt?
Unsere Forderungen stießen beim Verein zunächst (vorhersehbar) auf enormen Widerstand. Die Ablehnung wurde hauptsächlich mit wirtschaftlichen Argumenten begründet – aber auch mit Aussagen wie „völlig falscher Präventionsansatz“. Außerdem wurde stets damit argumentiert, dass DIE FANS für ein derartiges Projekt kein Verständnis hätten.
Wie reagieren die Fans auf euer Projekt?
Hier gab es eine interessante Veränderung im Umgang mit uns und dem Projekt „Trockendock“. Wurde und anfänglich noch öfters unterstellt, wir wöllten den Zuschauer*innen ihr Bier wegnehmen, wurde im Laufe der Jahre verstanden, dass es uns gerade darum nie ging. Insbesondere die kritische FCSP-Fanszene unterstützte unsere Anliegen mehr und mehr – sowohl argumentativ als auch finanziell.
Haltet ihr ein Alkoholverbot in Stadien für wünschenswert?
NEIN. Wir wünschen uns eine Vielzahl attraktiver Alternativangebote, so dass Stadionbesucher*innen eine wirkliche Wahl und Entscheidungsmöglichkeit haben.
Gibt es eine unausweichliche Verbindung zwischen Fußball und Alkoholkonsum?
Die Symbiose zwischen Fußball und Drogen ist sicherlich nicht in Stein gemeißelt – aktuell aber noch sehr stabil. Glücklicherweise gibt es mittlerweile gerade bei jüngeren Menschen Bestrebungen, derartige Verknüpfungen zu hinterfragen. Dem unsäglichen „ASTRA – WAS DAGEGEN?“ etwas entgegenzusetzen – dazu kann das Trockendock / die weiteren Trockendocks ein Baustein sein. Gerade in Hinblick auf Kinder- und Jugendprävention müssen Vereine Konsumalternativen fördern, um einen langsamen Paradigmenwechsel einzuleiten. Glücklicherweise bewegt sich hier mittlerweile etwas – nicht nur beim FCSP, sondern beispielsweise bei Union Berlin oder beim HSV.
Danke Michael Krause