Interview
“Für mehr Gleich-berechtigung im Glas“
Im Bon Vivant Berlin gibt’s keine klassische 0% Begleitung – dafür alkoholfreie Proxys, still statt sprudelnd, komplex statt süß. Elias Heintz hat eine eigene alkoholfreie Weinkarte entwickelt und erklärt im Interview, warum Beratung dabei entscheidend ist und was Gäste wirklich wollen, wenn sie keinen Alkohol trinken.
Interview: Oliver Schwarzwald
Alkoholfreie Proxys in der Gastronomie – Interview mit Elias Heintz / Bon Vivant
Elias, ihr bietet keine klassische Weinbegleitung an, sondern arbeitet mit sogenannten alkoholfreien Proxys. Wie kam es zu diesem Konzept?
Unsere Getränkebegleitung besteht eigentlich aus Cocktails, aber wir bieten auch eine vollumfängliche alkoholfreie Variante an. Für Gäste, die eine klassische Begleitung suchen, war mir wichtig, auch etwas Verlässliches alkoholfreies anzubieten – wie man es von Wein kennt. Deshalb habe ich Anfang letzten Jahres die erste alkoholfreie Weinkarte in Deutschland kreiert.
Was bedeutet das konkret – bestellen die Gäste dann wie beim Wein eine Flasche über das Menü hinweg?
Ja, das ist das Gängigste. Viele wollen über den Abend hinweg eine Flasche, aus der sie sich selbst einschenken können. So entsteht ein Gefühl von Kontinuität – wie bei echtem Wein. Man kennt die Aromatik, sie verändert sich mit Luft und Temperatur. Dafür sind Proxys ideal.
Wie präsentierst du die Auswahl an Proxys?
Wir haben zu jedem Proxy eine Beschreibung. Ich will das Thema öffnen und nahbar machen. Natürlich darf man auch alles glasweise probieren. Es ist wichtig, dass die Leute sich damit wohlfühlen.
Wie findest du heraus, welcher Proxy zu welchem Gast passt?
Beratung ist alles. Bei Wein kennt man die Aromen, bei Proxys nicht. Wenn jemand z. B. sagt, er trinkt gern Merlot, empfehle ich z. B. Gnista French Style. Wichtig ist: Man kennt vielleicht einen Proxy – aber das sagt nichts über die anderen aus. Es gibt große Unterschiede.
Wie reagieren eure Gäste – eher offen oder eher zurückhaltend?
Beides. Manche kommen genau wegen der Proxy-Auswahl. Andere starten lieber mit Klassikern – z. B. Jörg Geigers Bratbirne als niedrigschwelligen Einstieg. Ich beginne gerne easygoing und steigere dann.
Nach welchen Kriterien wählst du die Proxys aus?
Drei Dinge:
Möglichst wenig Süße
Komplexität
Still statt sparkling – ich bin müde von permanentem Sprudel. Gerade bei Menüs mit sechs oder mehr Gängen stört die Kohlensäure irgendwann. Stille Proxys haben mehr Tiefe und sind angenehmer über den Abend hinweg.
Stille Proxys schmecken oft flach oder abgestanden. Hat sich das verbessert?
Ja, definitiv. Man muss gut suchen, aber es gibt mittlerweile spannende stille Produkte. Ich finde das Konzept des stillen Begleiters im Proxy-Bereich sehr reizvoll.
Viele Proxys sind fermentiert. Gibt es auch andere Wege?
Fermentation ist nicht das Problem – es ist eine Gewöhnungssache. Fast alle Lebensmittel sind fermentiert. Die Herausforderung liegt eher darin, neue Aromen verständlich zu machen. Ich glaube nicht, dass die Lösung eine Entalkoholisierung ist – sondern die Entwicklung echter alkoholfreier Produktionen, z. B. alkoholreduzierte Gärung.
Denkst du, dass alkoholfreie Proxys auch außerhalb der Fine Dining-Bubble funktionieren können?
Absolut. Die Zielgruppe kann dieselbe sein. Sobald wir Produkte haben, die nicht entalkoholisiert sind, sondern direkt alkoholfrei entstehen, wird das Thema richtig stark. Es braucht nur mehr Produktentwicklung und mehr Normalität im Umgang damit.
Könntest du dir vorstellen, irgendwann komplett alkoholfrei zu arbeiten?
Ich will das gar nicht ausschließen, aber ich persönlich trinke bewusst auch mal Alkohol. Für mich ist wichtig: Gleichberechtigung. Es soll eine Weinbegleitung und eine gleichwertige alkoholfreie Begleitung geben – ohne dass jemand das Gefühl hat, auf etwas verzichten zu müssen.
Danke Elias, für das Gespräch